„Nur im stillen Kämmerchen zu forschen wäre nicht meins!“
Die Sprachdidaktikerin Victoria Reinsperger erforscht im Rahmen ihrer Dissertation, wie Schüler:innen das schriftliche Argumentieren besser vermittelt werden kann. Angetrieben wird sie von dem Gefühl, den Jugendlichen etwas mit auf den Weg geben zu können. Und davon, zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen.
Das Argumentieren hat es Victoria Reinsperger angetan, besonders das Argumentieren in schriftlichen Texten. Zu diesem Thema hat sie nicht nur ihre Diplomarbeit verfasst, sondern forscht dazu aktuell auch für ihre Dissertation. Dabei bezeichnet sie das Argumentieren als „zweischneidiges Schwert“. „Einerseits ist es für den Bildungserfolg so relevant und für die gesellschaftliche Teilhabe so wichtig. Und andererseits ist es so schwierig.“ Denn Argumentieren erfordere, sich neues inhaltliches Wissen anzueignen, sprachliche Mittel zur Überzeugung anderer angemessen einzusetzen und zugleich kognitive Fähigkeiten zu entwickeln, wie etwa die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen, die fürs Schreiben und Argumentieren nötig sind.
Dass Victoria Reinsperger sich bereits während ihres Lehramtsstudiums für Germanistik und Psychologie/Philosophie an der Universität Graz besonders für die Schreibdidaktik interessierte, war naheliegend. Denn ihre Leidenschaft fürs Schreiben hat sie schon früh entdeckt. „Schreiben – und das Fördern des Schreibens – waren für mich selbst schon immer wichtig. Als Kind wollte ich Journalistin werden.“
In das Thema Deutsch als Zweitsprache ist sie „hineingerutscht“, als sie im Jahr 2017 auf Menorca als Sprachassistentin tätig war. „Das hat den Weg geebnet“, sagt sie. Und auch in ihr Forschungsprojekt sei sie „zufällig hineingestolpert“. Im Rahmen ihrer Arbeit am Fachdidaktikzentrum Deutsch als Zweitsprache und Sprachliche Bildung gestaltete sie das Erasmus+-Projekt „DiaLog“ mit, das von 2020 bis 2023 lief. Dabei ging es darum, Deutschlernende dabei zu unterstützen, anhand strittiger Fragen zum Klimawandel ihre Argumentationsfähigkeiten zu entwickeln. Mithilfe des didaktischen Ansatzes, der im Projekt entwickelt wurde, soll den Schüler:innen ein sprachliches Werkzeug in die Hand gegeben werden. Gleichzeitig sollen sie kognitiv gefördert werden, indem sie angeregt werden, auch andere Perspektiven einzunehmen und einzubringen als die eigene. Dadurch wird ihnen gesellschaftliches Teilhaben ermöglicht.
Es gebe viel empirische Evidenz, dass es für Schüler:innen hilfreich ist, im Dialog mündlich über ein Thema zu diskutieren, wenn sie im Anschluss argumentativ schreiben sollen, betont Victoria Reinsperger. Was aber fraglich sei: Wie genau soll das mündliche Aufgabenarrangement gestaltet sein, damit die Schüler:innen besonders davon profitieren? Um dies herauszufinden, untersucht sie sowohl das didaktische Setting MonoDiaLog, bei dem Schüler:innen aus ihrer eigenen Perspektive argumentieren, als auch MultiDialog, bei dem sie im Zuge von Rollenspielen unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Mit den Inhalten möchte sie die Schüler:innen möglichst lebensnah abholen. Deshalb lässt sie sie strittige Fragen zum Klimawandel diskutieren – wie etwa zur Fast Fashion oder ob Fleisch, das im Labor hergestellt wird, eine Alternative sein kann. „Wir haben die Hoffnung, dass die Schüler:innen die Fähigkeiten zum Argumentieren auch auf neue Themen übertragen können“, betont Victoria Reinsperger. Was sie besonders motiviert? „Wir können den Schüler:innen helfen, zu argumentieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Oft hat man das Gefühl, da hat jemand was mitgenommen. Das ist berührend und lohnend.“
"Oft hat man das Gefühl, da hat jemand was mitgenommen. Das ist berührend und lohnend."
Was sie an ihrer Arbeit vorantreibt? „Als Forscherin braucht man viel Disziplin, da man sich lange mit demselben Thema auseinandersetzt – und auch eine hohe Frustrationstoleranz, wenn ein Ansatz nicht funktioniert hat. Da ist es besonders schön, wenn man an den Punkt gelangt, an dem es einem gelingt, den Gegenstand langsam zu durchdringen, mit dem man sich schon so lange befasst, die eigene Arbeit zu verorten und zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen.“
Und sie wünscht sich vor allem eines: „Einen noch stärkeren Praxisbezug. Ich würde gerne an der Schule andocken, da ich super gerne unterrichte.“ Dieser Leidenschaft kann sie an der Universität in ihrer Lehrveranstaltung nachgehen. „Der Austausch mit den Studierenden ist mir sehr wichtig. Nur im stillen Kämmerchen zu forschen – das wäre nicht meins!“
"Es ist besonders schön, wenn man an den Punkt gelangt, an dem es einem gelingt, den Gegenstand langsam zu durchdringen."
Mag.phil. Victoria Lisa Reinsperger
+43 316 380 - 8173
Fachdidaktikzentrum Deutsch als Zweitsprache & Sprachliche Bildung
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