"Spiele werden für die Zukunft der Bildung noch eine maßgebliche Rolle spielen"

Vor einem Jahr wurde Stefan E. Huber mit dem ersten FUTURE EDUCATION Award ausgezeichnet. Seinem Forschungsschwerpunkt, für den er ausgezeichnet wurde - dem spielerischen Lernen - ist er seither treu geblieben. Anlässlich der EARLI 2025 wechselte er nun die Seite – und verleiht einen von vier Awards an die diesjährige Preisträgerin. Bei FUTURE EDUCATION ist Stefan E. Huber Mitglied im Bildungstechnologie(n)-Cluster.
Wie landet man als promovierter Physiker in einem Dissertationsprojekt zum spielerischen Lernen? Für Stefan E. Huber ist genau das die logische Fortsetzung seines Dranges nach Erkenntnis - und folglich auch seines akademischen Werdegangs. Denn der Frage, wie Erkenntnis überhaupt möglich ist, gilt sein ältestes wissenschaftliches Interesse.
„In meiner Jugend habe ich mit meinen Eltern eine Leidenschaft für das Lesen geteilt. Insbesondere haben mich damals auch populärwissenschaftliche Physikbücher fasziniert. Deshalb war es für mich erst einmal naheliegend, Physik zu studieren“, sagt Stefan E. Huber, der an sein Studium in Innsbruck eine Promotion in Chemischer Physik anschloss.
Nicht nur die Interdisziplinarität, sondern auch die Interaktion zwischen der Welt und dem Menschen als erkennendes Wesen faszinierten ihn. Deshalb begann er später neben seiner Tätigkeit als Postdoc, Psychologie zu studieren, wobei er sich in seiner Masterarbeit mit dem menschlichen Blinzeln als Ausdruck der Interaktion von Aufmerksamkeit und Umwelt befasste.
Aktuell arbeitet er an der Uni Graz an seiner zweiten Promotion -zum spielerischen Lernen. Und was er dabei bisher herausfand, fasziniert und fesselt ihn gleichermaßen. „Erste Ergebnisse zeigen, dass selbst kleine Spielelemente die Motivation und das Engagement für eine Lernaufgabe erheblich steigern können“, sagt Stefan E. Huber. Wobei er im Zuge der Forschungen zu seiner Dissertation überraschend feststellen konnte, dass die Ergebnisse des motivationalen Effekts stark vom Kontext abhängen können. Während nämlich bei Online-Experimenten die Motivation der Studienteilnehmer:innen immer höher war, wenn die Lernaufgabe Spielelemente enthielt, war dieser Effekt bei Studien im Labor nicht zu erkennen. Stefan E. Huber räumt jedoch ein: „Es handelt sich um Grundlagenforschung, die weit von Unterhaltungsspielen entfernt ist, da kontrollierte Experimente nur kleine, spezifische Veränderungen in den Untersuchungsbedingungen erforderlich machen.“ Wie sich das im Klassenzimmer auswirkt, also dort, wo spielerische Elemente tatsächlich zum Einsatz kommen und kommen sollen, wird aktuell ebenfalls untersucht.
„Erste Ergebnisse zeigen, dass selbst kleine Spielelemente die Motivation und das Engagement für eine Lernaufgabe erheblich steigern können“
Wichtig sei ihm, im Zusammenhang mit der Schule nicht pauschal zu sagen „spielerische Elemente bringen etwas oder sie bringen nichts“. Viel bedeutender sei für ihn, das enorme Potenzial für Innovation hervorzuheben, das mit einem spielerischen Zugang einhergehe. Viele große Errungenschaften, wie etwa die Entdeckung der Elektrizität, seien aus ‚Spielereien‘ entstanden, wie er hervorhebt. Vor allem das „Playing“, also das freie, regellose Spiel, hänge eng mit Neugier und freiem Erkunden zusammen, wobei aber auch das stärker regel- und zweckgeleitete „Gaming“ bereits Raum für Exploration und Probieren schaffen kann.
Und genau darin sieht er eine der Stärken von Spielen: Dass sie – ähnlich wie beim Lesen von Romanen - der spielenden Person ermöglichen, mit Perspektiven in Kontakt zu kommen, die ihnen im realen Leben nicht zugänglich sind, was sowohl die Diversität als auch das Verständnis für das Anderssein fördern würde. „Spiele bieten unter anderem einen sicheren Rahmen, um zu erfahren, was auch alles schief laufen und daraus resultieren kann, ohne dass sich das gleich in der Realität auswirken muss.“ Scheitern, Misserfolg, Fehler und deren Konsequenzen sollen so der Erfahrung zugänglich gemacht und dadurch in der ‚echten‘ Welt leichter erkannt und korrigiert werden können. Ob er sich selber gerne in solche alternativen ‚Welten‘ begibt? „Ich spiele gerne Strategiespiele wie ‚Civilization‘ oder storygetriebene Rollenspiele.“
„Spiele bieten unter anderem einen sicheren Rahmen, um zu erfahren, was auch alles schief laufen und daraus resultieren kann, ohne dass sich das gleich in der Realität auswirken muss.“
Und wie denkt er heute, ein Jahr nach der Preisverleihung, über den FUTURE EDUCATION Award, den er 2024 für seine Arbeit mit Spielelementen erhalten hat? „Der FUTURE EDUCATION Award ist mir sehr wichtig – gerade, dass der Preis im Bereich des spielerischen Lernens vergeben wurde, bedeutet mir viel.“ Denn digitale Spiele würden in der Gesellschaft als Kulturgut bzw. -medium manchmal vergleichsweise noch nicht ganz ernst genommen oder einseitig nur auf schädliche Aspekte hin diskutiert werden. „Der Preis hilft, die positiven Seiten von Spielen hervorzuheben, insbesondere ihr Potenzial für Neugier, freie Exploration und das Lernen, welches bisher noch eindeutig zu wenig erforscht ist. Ich bin überzeugt, dass Spiele für die Zukunft der Bildung noch eine maßgebliche Rolle spielen werden.“
