Spielend Mathematik lernen
Ist es eine schlaue Idee, Lernmaterial mit Spielelementen anzureichern? Oder lenken diese eher ab? Ein Projekt an der Uni Graz beschäftigt sich mit dieser zentralen Frage der Grundlagenforschung.
Lernspiele haben einen guten Ruf. Spielerische Elemente motivieren Lernende und lösen positive Gefühle aus. Doch ist dieser Ruf gerechtfertigt? Schließlich können spielerische Elemente auch ablenken und so das Lernergebnis und die Leistung verschlechtern.
Mit dieser grundlegenden Frage, ob Spielelemente das Lernen fördern oder sogar behindern, befasste sich ein internationales Forschungsteam an der Uni Graz. „Spielerische Elemente können vom Lernen bzw. Lernmaterial ablenken. Wir wollten herausfinden, ob diese Ablenkung ausbalanciert wird durch den Willen der Lernenden, mehr Ressourcen ins Lernen zu investieren“, sagt Manuel Ninaus von der Universität Graz, der die Studie leitete. Und er ergänzt: „Lernspiele sind ein komplexes Medium. Es ist nicht so leicht, genau da hinzuzeigen, wo der Effekt ist, weil es recht unterschiedliche Einflussfaktoren gibt.“
Teilnehmer:innen schätzten, wie groß Brüche sind
Untersucht wurde die Frage anhand einer Trainingsstudie zu mathematischen Brüchen mit Erwachsenen. Die Teilnehmer:innen absolvierten an fünf aufeinanderfolgenden Tagen je eine Lerntrainingseinheit zu 15 bis 20 Minuten, bei der sie eine Zahlenschätzaufgabe zu meistern hatten. Konkret sollten sie einschätzen, wie groß ein mathematischer Bruch ist, und diesen Wert dann auf einer Zahlenleiste angeben. „Zahlenschätzaufgaben sind gut validiert. Sie liefern ein gutes Indiz dafür, wie gut Zahlengrößen verstanden werden“, erklärt Ninaus.
Dabei musste eine Gruppe die Aufgaben im Rahmen eines Computerspieles lösen, bei dem sie als virtuelle Spielfigur namens „Semideus“ gestohlenes Geld und einen Schatz von Zeus wiederfinden mussten und für richtige Antworten Belohnungen erhielten. Das Spiel war also mit graphischen Spielelementen und einer Story angereichert. Im Gegensatz dazu hatte die zweite Gruppe dieselben Aufgaben in einem sehr neutral gestalteten Computerprogramm zu lösen, das nach derselben Spielmechanik funktionierte, bei dem aber der Bildschirm grau war und bei dem sie statt „Semideus“ ein schlichtes Pfeil-Symbol steuerten.
In Spielversion waren Teilnehmer:innen genauer
Das Ergebnis der Studie war insofern überraschend, als der Lernerfolg vom Vortest zum Nachtest zwischen den Gruppen vergleichbar war. Was sich allerdings zeigte: In der Spielversion waren die Teilnehmer:innen in ihrer Aufgabe genauer, dafür aber etwas langsamer, da ihnen die Aufgabe vermutlich mehr bedeutete und gewillter waren mehr (kognitive) Ressourcen aufzubringen. Die Leistung im Training war somit besser.
„Grundsätzlich lernen Menschen spielerisch schon besser als ohne Spielelemente. Der Lernerfolg ist größer“, sagt Ninaus. „Es liegt aber maßgeblich daran, wie das Spiel designet ist. Je näher die Lern- und die Spielmechanik verschränkt sind, desto weniger sollten die Spielelemente ablenkend sondern lernförderlich wirken“. Und er betont: „Aber: nicht alles Lernen soll spielbasiert erfolgen. Manche Dinge funktionieren nicht spielbasiert, da muss man einfach durchbeißen.“