Inokulation - ein Weg Jugendliche vor Klimawandelmythen zu schützen?
Tagtäglich bricht eine unüberschaubare Informationsflut über uns herein - noch nie war es so einfach, Inhalte, Ansichten und Einstellungen mit einer Vielzahl an Menschen zu teilen. So vielfältig die Kanäle sind, so unterschiedlich ist auch die Qualität der Informationen, die wir über diese erhalten.
Falschinformationen, sogenannte "Fake News", und Verleugnungsstrategien, die sich auf vermeintliche Forschungsergebnisse stützen, tragen v.a. in den sozialen Medien in der Auseinandersetzung mit komplexen Themen zur Abkehr von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und zum verringerten Vertrauen in die Wissenschaft bei. Gezielte Desinformationskampagnen zu den Ursachen des Klimawandels sorgen beispielsweise für Verunsicherung und stellen die Bevölkerung, aber vor allem auch Jugendliche, vor die Herausforderung: Wie können irreführende von wissenschaftlich fundierten Meldungen zum Klimawandel unterschieden werden?
Inokulationstheorie
Dieser Herausforderung nehmen sich Claudia Haagen-Schützenhöfer (Fachbereich Physikdidaktik der Universität Graz) und Thomas Schubatzky (Universität Innsbruck), der hier an der Grazer Physikdidaktik promoviert hat und mittlerweile eine Professur an der Universität Innsbruck bekleidet, in ihrer Forschung an. Sie zeigen auf, wie die Inokulationstheorie genutzt werden kann, um Jugendliche “resistenter” gegen Falschinformationen über den anthropogenen Klimawandel zu machen. “Wichtig ist einerseits, dass Schüler:innen grundlegende physikalische Konzepte verstehen, die den Klimawandel betreffen. Andererseits ist zentral, dass Schüler:innen mit den gängigen Argumentationsstrategien, die von Klimawandelskeptiker:innen häufig genutzt werden, vertraut sind, um diesen nicht auf den Leim zu gehen”, erklärt Claudia Haagen-Schützenhöfer und führt aus, dass Jugendliche über manipulierende Darstellungen von Informationen Bescheid wissen müssen, um die Mechanismen erkennen und ihnen etwas entgegensetzen zu können. Die Inokulationstheorie ist hierbei ein effektiver Ansatz. Die in den 1960ern von McGuire entwickelte Inokulationstheorie verfolgt die Grundidee, dass Individuen gegen Desinformationen gewappnet werden können, ähnlich wie sie auch gegen einen Virus immunisiert werden können.
Studie
In der 2020 von Thomas Schubatzky und Claudia Haagen-Schützenhöfer durchgeführten Untersuchung wurden einem Teil der über 1.000 untersuchten Jugendlichen (14 bis 19 Jahre) neben den Fakten auch irreführende Behauptungen zum Klimawandel vorgelegt. Dabei wurde die sogenannte „Oregon Petition“, eine Desinformationskampagne aus den USA, verwendet. Diese ist ein klassisches Beispiel für eine Desinformationskampagne, die z.B. mit der Methode der “Fake Experts” arbeitet. Die Kampagne hatte zum Ziel, die Öffentlichkeit über Erkenntnisse der Klimawissenschaften und den wissenschaftlichen Konsens zur menschenverursachten globalen Erwärmung zu verwirren. Die 31.000 mal unterschriebene Petition wurde von vermeintlichen Klima-Expert:innen unterstützt, die die Existenz des menschenverursachten Klimawandels verneinen. Bei genauerer Analyse zeigt sich allerdings, dass Wissenschaftler:innen mit einschlägiger Expertise nur im Promillebereich vertreten waren, aber dafür viele Unterstützer mehrfach unterschrieben haben und auch Spaßeinträge, wie die Spice Girls, Charles Darwin (1882 verstorben) oder Charaktere aus Star Wars unter den Unterschreibenden waren.
Die Ergebnisse der Studie von Schubatzky und Haagen-Schützenhöfer zeigen erstmals für Jugendliche - für Erwachsene wurden ähnliche Studien von Forscher:innen in Cambridge vorgelegt - die Wirksamkeit von Inokulationsstrategien gegen Klimawandelmythen. So zeigte sich, dass Jugendliche anfällig für Fehlinformationen sind, die auf den wissenschaftlichen Konsens in Bezug auf den Klimawandel abzielen, selbst wenn sie über korrekte Informationen verfügen. Es ist jedoch möglich, Jugendliche durch Inokulation präventiv vor solchen Fehlinformationen zu schützen. Darüber hinaus führte die Inokulation nicht nur zu einem Anstieg der Konsenseinschätzung der Jugendlichen, sondern auch zu einem Anstieg ihrer Überzeugung, dass ihre Einschätzung richtig ist.
Weiterführende Links
Beitrag GDCP Tagungsband Essen 2007 (uni-graz.at)
Ingrid Brodnig: Was gegen Klimawandel-Mythen wirkt (profil.at)
Inoculating Adolescents Against Climate Change Misinformation | SpringerLink