„Die Frage, wie Lerntechnologien das Lernen fördern können, sollte bereits in der Entwicklungsphase gestellt werden – nicht erst im Nachhinein.“

Silvia Lipp war viele Jahre in der Privatwirtschaft tätig, bevor sie den Weg in die Wissenschaft einschlug. Nach Abschluss ihres Doktorats ist sie seit Februar 2025 als Senior Lecturer mit erweiterten Forschungsaufgaben am Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität Graz tätig. Im FUTURE EDUCATION Netzwerk ist sie Mitglied des Clusters MINT+.
Als Wirtschaftspädagogin mit einer Leidenschaft für digitales Lernen und Lehren beschäftigt sie sich intensiv mit der Rolle des Menschen in diesem Kontext. Wie digitale Technologien eingesetzt werden können, damit sie dem Menschen dienen – so lautet die zentrale Frage, die ihre Forschungsarbeit begleitet. Sie sieht ihre Stärke darin, unterschiedliche Perspektiven zu verknüpfen und Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Dass sie den Weg in die Forschung fand, bezeichnet sie selbst als Zufall. Nach dem Abschluss der Handelsakademie arbeitete sie 13 Jahre lang in der Privatwirtschaft in unterschiedlichen kaufmännischen Funktionen. Diese Erfahrung kommt ihr jetzt bei der Vernetzung von Theorie und Praxis zugute. Mit dem Wunsch, ihre praktischen Erfahrungen theoretisch zu vertiefen und im Rahmen einer Lehrtätigkeit weiterzugeben, entschied sie sich für ein Bachelorstudium der Betriebswirtschaft und anschließend für den Master in Wirtschaftspädagogik. Ursprünglich zog sie eine Laufbahn im Schulwesen in Betracht, doch Anfang 2020 ergab sich eine neue Möglichkeit: Eine Projektstelle am Institut für Wirtschaftspädagogik. Dort entdeckte Sie ihre Leidenschaft für die Forschung und schloss ihr Doktoratsstudium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit dem Fachschwerpunkt Wirtschaftspädagogik ab. Im Februar 2025 trat sie schließlich eine Stelle als Senior Lecturer mit erweiterten Forschungsaufgaben am selben Institut an. Für ihr Konzept zur Lehrveranstaltung „Entrepreneurship Education und Wirtschaftsethik“ wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Learning Analytics, also im datenbasierten Lehren und Lernen. In Ihrer Dissertation befasste sie sich mit der Frage, in welchen Bereichen die Nutzung von Daten das Lehren und Lernen unterstützen kann – und hinterfragte kritisch, wo sie keinen Mehrwert bietet oder sogar hinderlich sein kann. „Wenn ich als Lernende weiß, dass alles, was ich im digitalen Lernraum mache, erfasst und analysiert wird und diese Informationen Lehrenden scheinbar Rückschlüsse auf meinen Lernfortschritt ermöglichen und Einfluss auf die Bewertung haben, dann führt dies dazu, dass ich mein Verhalten im digitalen Raum danach ausrichte. Ich tue dann, was das System sozusagen von mir erwartet. Diese Interaktion ist jedoch nicht mit einem Lernen gleichzusetzen“, erklärt sie. „Es entsteht vielmehr der Versuch, eine möglichst vorteilhafte digitale Identität darzustellen. Doch dabei geht etwas verloren: Lernaktivitäten, die sich nicht so einfach messen lassen, geraten aus dem Fokus.“ Gerade dieser Aspekt erhält bislang nur wenig Aufmerksamkeit.
"Doch dabei geht etwas verloren: Lernaktivitäten, die sich nicht so einfach messen lassen, geraten aus dem Fokus.“
Auch auf die Lehrpraxis hat der zunehmende Einsatz von Daten Einfluss. Silvia Lipp geht davon aus, dass mit der wachsenden Bedeutung von Lerntechnologien, gerade in Hinblick auf die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, das Generieren von Daten und das Erfüllen datenbasierter Indikatoren stärker in den Vordergrund rücken – möglicherweise auf Kosten pädagogischer Überlegungen.
Ihre Forschungsausrichtung entwickelte sich mit der praktischen Auseinandersetzung mit Learning Analytics in einem konkreten Anwendungsszenario im Masterstudium Wirtschaftspädagogik. Anfänglich begeisterte sie sich vor allem für deren Potenziale, doch mit der Zeit verlagerte sich ihr Fokus zunehmend auf die Herausforderungen und Risiken. Besonders kritisch sieht sie das Ungleichgewicht zwischen der technischen und der pädagogischen Perspektive. „Die Frage, wie Lerntechnologien das Lernen fördern können, sollte bereits in der Entwicklungsphase gestellt werden – nicht erst im Nachhinein. Dafür braucht es die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und sinnvolle Verknüpfungen zwischen technologischen Möglichkeiten und pädagogischen Anforderungen zu identifizieren“, unterstreicht sie.
Daten wird oft ein enormes Potenzial zugeschrieben, doch ihre Nutzung im Bildungskontext erfordert mehr als eine rein technische Betrachtung und Verarbeitung. „Es braucht menschliches Zutun im Sinne einer kritischen Reflexion, wie Daten und Technologien pädagogisch sinnvoll und verantwortungsvoll eingesetzt werden können“, betont Silvia Lipp.
"Es braucht menschliches Zutun im Sinne einer kritischen Reflexion, wie Daten und Technologien pädagogisch sinnvoll und verantwortungsvoll eingesetzt werden können.“
Dr.rer.soc.oec. BSc MSc. Silvia Lipp
+43 316 380 - 3539
Institut für Wirtschaftspädagogik
nach Vereinbarung
https://wirtschaftspaedagogik.uni-graz.at/de/institut/