Projekt „KiddiW“: Wie viel Mediennutzung ist gesund für Kleinkinder?
Welche Auswirkungen hat die Nutzung von digitalen Medien auf Kleinkinder? Zu dieser Frage gibt es erheblichen Forschungsbedarf. Die Studie „Kleinkinder in der digitalen Welt“ an der Universität Graz und der Medizinischen Universität Graz untersuchte daher den Einfluss digitaler Medien auf Kleinkinder und verfolgte dabei richtungsweisende neue Ansätze.
Internetfähige Smartphones und Tablets haben längst einen festen Platz im Alltag von Erwachsenen und sind somit auch Teil der Lebenswelt der Kinder. Doch wie wirkt sich diese Nutzung auf die kindliche Entwicklung und Gesundheit aus – insbesondere bei Kleinkindern zwischen eineinhalb und vier Jahren? Damit befasste sich das Projekt „KiddiW – Kleinkinder in der digitalen Welt“, das zwischen 2018 und 2021 von der Uni Graz und der Medizinischen Universität Graz durchgeführt wurde. Beteiligt waren an der Universität Graz Catherine Walter-Laager, Lars Eichen vom Arbeitsbereich für Elementarpädagogik, Manuela Paechter und Sigrid Hackl-Wimmer vom Arbeitsbereich für Pädagogische Psychologie sowie Helmut Lackner vom Institut für Physiologie an der Medizinischen Universität. Finanziert wurde die Studie vom Zukunftsfonds Steiermark.
Frühere Erkenntnisse aus der Forschung zum Fernsehkonsum bei Kindern haben bereits gezeigt, dass bewegte Bilder oder altersunangemessene Inhalte Kleinkinder, aber auch ältere Kinder, kognitiv überfordern können. Dies kann sich negativ auf die motorische und sprachliche Entwicklung oder den Schlaf auswirken. „Im Gegensatz zum traditionellen Fernsehen bieten neue Medien noch interaktivere Funktionen, bei denen die Nutzer:innen durch Wischen oder Drücken aktiv in die dargebotenen Informationen eingreifen können. Dadurch wird es auch anspruchsvoller, die Informationen kognitiv zu verarbeiten“, sagt Sigrid Hackl-Wimmer vom Arbeitsbereich für Pädagogische Psychologie, die an dem Projekt beteiligt war.
Neue Herangehensweise
Wichtig für die kindliche Entwicklung sind eine ausreichende Schlafdauer und Schlafqualität. Bisherige Fragebogenstudien verweisen auf die negativen Folgen von Mediennutzung für den Schlaf. Aber mit dieser Methode kann die Schlafqualität nicht genau erfasst werden. Deshalb hat sich das Forscher:innen-Team im Projekt darauf fokussiert zu untersuchen, welchen Zusammenhang es zwischen der Mediennutzung von Kleinkindern und deren Erholung im Schlaf gibt. In einer Untersuchungsreihe hat das Team die Herzratenvariabilität bei 55 steirischen Kindern im Alter von zwei bis vier Jahren gemessen. Zugleich wurde erhoben, wie viel Zeit diese Kinder mit Touchscreen-Medien verbringen. „Dabei hat sich gezeigt, je häufiger Kinder Touchscreen-Medien wie das Handy oder das Tablet nutzen, umso schlechtere Erholungsparameter zeigen sie. Sie erholen sich im Schlaf also schlechter als Kinder, die weniger Kontakt zu Touchscreen-Medien haben“, sagt Sigrid Hackl-Wimmer. Dabei nutzen in dieser Studie viele Kinder die Medien weniger als eine Stunde pro Tag, was im Vergleich zu Studien aus den USA geringe Nutzungszeiten sind. „Je höher die Mediennutzung, desto schlechter ist die Erholung“, fasst die Forscherin zusammen. Dies zeige, wie wichtig es sei, digitale Medien bei Kleinkindern mit Bedacht einzusetzen und auch, wie groß der Bedarf sei, die Wirkung dieser Medien auf Kinder zu erforschen.
Neu am Projekt ist die Herangehensweise: Im Projekt wurden erstmals eine psychophysiologische Datenerhebung mithilfe von EKG in Kombination mit der Datenerhebung über Fragebögen angewandt, weshalb diese Studie einen bedeutenden Meilenstein markiert. Gerade Kinder können in diesem Alter noch wenig Auskunft geben. Die Vielfalt der angewandten Methoden setzt somit neue Standards in diesem Forschungsfeld.
Auch weitere Erkenntnisse ergaben sich aus dem Projekt: So sehen sich Pädagog:innen zum Beispiel nicht ausreichend darauf vorbereitet, den Bildungsauftrag österreichischer Kindertageseinrichtungen in Sachen Medienbildung zu erfüllen – einerseits, weil die Ausstattung unzureichend ist, andererseits, weil es an Fortbildungen mangelt. Auch zeigte sich, dass Eltern die Mediennutzung je nach Alter der Kinder unterschiedlich einschätzten. Bei kleineren Kindern dienen digitale Medien aus Sicht der Eltern eher der Unterhaltung. Ab dem Kindergartenalter erwarten Eltern hingegen, dass diese zusätzlich einen Lern- und Erziehungseffekt haben.
Zu erforschen gibt es in diesem Zusammenhang jedenfalls noch vieles. „Die Fortsetzung des Projekts ist angedacht. Schön wäre es, eine Landzeitstudie bei drei- bis sechsjährigen Kindern durchzuführen“, sagt Sigrid Hackl-Wimmer.
Univ.-Prof. Dr.phil. Lars Eichen
+43 316 380 - 8040
Institut für Bildungsforschung und PädagogInnenbildung
Mi. 10:00 - 12:00 Uhr
Univ.-Prof. Dr.phil.habil. Catherine Walter-Laager
+43 316 380 - 8037
Büro der Studiendirektorin
https://studiendirektor.uni-graz.at/de/studiendirektorin/