Muhammed Akbulut: „Ich möchte die Wissenschaft in die Gesellschaft tragen“
Muhammed Akbulut forscht und arbeitet seit 2016 an der Universität Graz. In seinem Habilitationsprojekt entwickelt er gemeinsam mit seinen Kolleg:innen vom Fachdidaktikzentrum Deutsch als Zweitsprache & Sprachliche Bildung ein didaktisches Konzept, das Schüler:innen das wissenschaftliche Schreiben näherbringen soll.
Sind wir allein in Universum? Warum gefriert heißes Wasser schneller als kaltes? Solche und ähnliche Fragen stellt Muhammed Akbulut Schüler:innen. Klare Antworten gibt es auf diese ungelösten Rätsel der Wissenschaft nicht, doch gerade darin liege ihr besonderes Lernpotenzial. Wissenschaftliche Kontroversen stünden beispielhaft dafür, wie Wissenschaft funktioniert und dass wissenschaftliche Erkenntnisse eben nicht in Stein gemeißelt sind. Muhammed Akbulut möchte durch die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Kontroversen auch das Interesse der Jugendlichen für die Wissenschaft wecken und ihr Vertrauen in die Wissenschaft stärken. Das Vertrauen in die Wissenschaft sei während der Corona-Pandemie stark gesunken, was er bedaure. „Wir möchten dem entgegenwirken, indem wir den Schüler:innen zeigen, dass Wissenschaft ein sehr systematischer, kritischer und vor allen Dingen auch selbstkritischer Erkenntnisprozess ist. Das ist mir ein großes Anliegen“, betont er.
Dabei habe er die Erfahrung gemacht, dass die Schüler:innen schnell begeistert sind, wenn sie sehen, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert. Mit den didaktischen Konzepten, die er gemeinsam mit seinen Kolleg:innen entwickelt, hilft er Schüler:innen nicht nur, sich auf die Vorwissenschaftliche Arbeit und aufs Studium vorzubereiten. Die Wissenschaftliche Textkompetenz ist für sie zugleich ein Werkzeug zur gesellschaftlichen Teilhabe. „Bildung ist kein Selbstzweck. Es geht um die größere gesellschaftliche Dimension“, betont Muhammed Akbulut, der ab Herbst 2024 eine Senior Lecturer Stelle an der Uni Graz antritt. Zum Thema Wissenschaftliche Textkompetenz läuft auch seit 2023 sein Habilitationsprojekt, für das er ein Stipendium des Habilitations-Forums Fachdidaktik und Unterrichtsforschung der Uni Graz erhalten hat. Auch ein großes FWF-Projekt hat er in diesem Zusammenhang akquiriert, das ihm ermöglicht, seine Forschungsarbeit zu intensivieren.
Projekt zur Mehrsprachigkeit und zur Sprachbewusstheit
Dabei ist Muhammed Akbulut eher zufällig in der Wissenschaft gelandet. Denn eigentlich wollte er nach seinem Deutsch-, Psychologie- und Philosophie-Studium Lehrer werden. Und hat schließlich vier Jahre lang ein Asylwerber:innen-Wohnheim in Wien geleitet. „Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, denn es erdet, in solchen Bereichen zu arbeiten. Man sieht, dass man privilegiert ist und dass es in unserer Gesellschaft auch Menschen gibt, denen es nicht so gut geht.“
Durch eine Empfehlung seiner Professorin sei er dann aber an der Universität Landau gelandet, wo er ab 2014 an einem Projekt zur Mehrsprachigkeit und zur Sprachbewusstheit arbeitete und zu diesem Thema auch dissertierte. Diesem Forschungsgegenstand blieb er auch nach seinem Wechsel an die Universität Graz im Jahr 2016 treu. Seine Forschungsgebiete haben sich seither um die Schreibforschung und um die Entwicklung von Textkompetenzen bei Kindern und Jugendlichen weiterentwickelt.
"Es ist so praxisorientiert, was wir erforschen"
Was ihn antreibt? „Ich habe ein großes genuines Interesse an dem, was ich erforsche“, betont er. Die Spracherwerbsforschung sei für ihn besonders interessant. Denn trotz aller Individualität verlaufe der Spracherwerb nicht chaotisch. „Es lassen sich sehr schön bestimmte Entwicklungsphasen abstrahieren.“ Und noch einen Beweggrund nennt er: „Es ist so praxisrelevant, was wir erforschen. Das hat nichts mit Elfenbeinturm zu tun. Zu sehen, wie Schüler:innen in unserem Projekt aufblühen und wie begeistert Lehrer:innen von unseren Unterrichtsmaterialien sind, ist einfach schön. Wir leisten einen Beitrag zum schulischen Weiterkommen der Jugendlichen und zu deren gesellschaftlichen Wirken.“
Seine soziale Ader lebt er unter anderem als ehrenamtlicher Wissenschaftsbotschafter des ÖAD aus. Mehrmals pro Jahr besucht er für je zwei Unterrichtsstunden Schulen, um den Kindern und Jugendlichen aus dem Alltag eines Forschers zu berichten. Auch dabei gehe es ihm vor allem darum, Begeisterung zu wecken und Vertrauen in die Wissenschaft zu vermitteln. „Und die Wissenschaft in die Gesellschaft zu tragen – in Bereiche, in die sie sonst vielleicht nicht gelangen würde.“
Muhammed Akbulut ist im Forschungsnetzwerk Future Education Mitglied im Cluster "Sprachen als Werkzeug für gesellschaftliche Teilhabe".
Mag. Dr.phil. Muhammed Akbulut
+43 316 380 - 8395
Fachdidaktikzentrum Deutsch als Zweitsprache & Sprachliche Bildung
Dienstag, 17:00 - 18:00
https://fachdidaktikzentrum-daz.uni-graz.at/